Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Dürfen Erzeugnisse, die keiner EU-Vermarktungsnorm unterliegen, mit einer Klasse gekennzeichnet werden?

Für die Vermarktung von Obst und Gemüse auf dem Frischmarkt gelten in Deutschland die EU-Vermarktungsnormen. Diese gelten für den Sektor Obst und Gemüse, der in der VO (EU) Nr. 1308/2013 (Stand: 13.12.2017) in Anhang I Teil IX festgelegt ist. Erzeugnisse, die dort nicht aufgelistet sind, wie z. B. stärkehaltige Knollen wie Süßkartoffeln (KN-Code 0714) fallen nicht in diesen Sektor. Weitere Ausnahmen sind in Artikel 4 Abs. 6 lit. a) der DVO (EU) Nr. 543/2011 (Stand 19.03.2019) aufgeführt, z. B. Wildpilze (KN-Code 0709 59).

Die BLE hat die nicht normpflichtigen Erzeugnisse in einer "Liste der Erzeugnisse des Obst- und Gemüsehandels ohne Vermarktungsnorm" zusammengestellt und auf ihrer Webseite veröffentlicht:
https://www.ble.de/DE/Themen/Ernaehrung-Lebensmittel/Vermarktungsnormen/Obst-Gemuese/Vermarktungsnormen-Hilfen-zur-Anwendung/vermarktungsnormen-hilfen_node.html

In Deutschland gilt für die Kennzeichnung von landwirtschaftlichen Produkten mit einer Klasse das Handelsklassengesetz. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, wenn man "ein Erzeugnis im Sinne des § 1 unter einer Bezeichnung zum Verkauf vorrätig hält, anbietet, feilhält, liefert, verkauft oder sonst in den Verkehr bringt, die den Anschein einer gesetzlichen Handelsklasse erweckt, obwohl eine gesetzliche Handelsklasse nicht eingeführt ist". Man darf also kein Erzeugnis mit einer Klassenangabe oder einer ähnlichen Qualitätseinstufung versehen, wenn es dafür keine staatliche Norm (s. Liste ohne Norm) gibt.

Bei diesen Erzeugnissen lässt sich eine Ordnungswidrigkeit nur vermeiden, wenn auf dem Packstück, das mit einer Klassenkennzeichnung / Qualitätseinstufung versehen werden soll, die zugrunde gelegte Norm angegeben wird. Diese Norm hat in Deutschland in jedem Fall nur den Status einer "privaten" Norm. Wenn in diesen Fällen in der Kennzeichnung ein Hinweis auf die Quelle gegeben wird, wird der Anschein einer "gesetzlichen Handelsklasse" vermieden.

Die Möglichkeiten werden an Beispielen gezeigt:

1) Es gibt eine internationale Norm

Internationale Normen gibt es bei der UNECE (für frisches Obst und Gemüse: http://www.unece.org/trade/agr/standard/fresh/ffv-standardse.html) und/oder bei Codex Alimentarius (http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/codex-texts/list-standards/en/).

Wenn für das Erzeugnis eine UNECE- oder Codex-Norm besteht, kann die enthaltene Klasseneinteilung als Grundlage für eine Qualitätseinteilung verwendet werden. Bei der Klassenangabe sollte auf die Norm verwiesen werden.

Beispiel – Maniok (Sweet Cassava): Es gibt eine Codex-Norm. Wenn diese angewandt werden soll, sollten die Packstücke mit "Codex-Klasse I", gekennzeichnet werden. Zusätzlich sollte CODEX STAN 238-2003 und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist; z. B. http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/codex-texts/list-standards/en/.

Beispiel – Pfifferlinge: Es gibt eine UNECE-Norm. Wenn diese angewandt werden soll, sollten die Packstücke mit "UNECE-Klasse I", gekennzeichnet werden. Zusätzlich sollte UNECE-FFV-55 und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist; z. B. http://www.unece.org/trade/agr/standard/fresh/ffv-standardse.html.

Beispiel – frische Chilis: Es gibt eine UNECE-Norm. Wenn diese angewandt werden soll, sollten die Packstücke mit "UNECE-Klasse I", gekennzeichnet werden. Zusätzlich sollte UNECE-FFV-61 und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist. – Es gibt aber auch eine Codex-Norm. Wenn diese angewandt werden soll, sollten die Packstücke mit "Codex-Klasse I", gekennzeichnet werden. Zusätzlich sollte CODEX STAN 307-2011 und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist.

2) Es gibt staatliche Normen in anderen Ländern oder regionale Normen, die aber in Deutschland nur den Charakter einer privaten Norm haben.

Die nationale Norm des Lieferlandes enthält Klasseneinteilungen und kann als Grundlage für eine Qualitätseinteilung verwendet werden. Wenn diese angewandt werden soll, können die Packstücke mit "Klasse I", gekennzeichnet werden. Zusätzlich sollte die Norm und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist.

Beispiel – Süßkartoffeln: Wenn eine nationale Norm eines Drittlandes angewandt werden soll, sollte z. B. gekennzeichnet werden "Süßkartoffeln Klasse I / African Standard CD-ARS 826/2012" und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist; z. B. https://law.resource.org/pub/ars/index.html.

3) Private Normen können entwickelt und angewandt werden.

Die Erzeuger / Händler können (ggf. auf Basis der o. g. bereits bestehenden Normen) private Normen entwickeln und anwenden. Wenn eine Klassenkennzeichnung / Qualitätseinstufung auf dem Packstück erscheinen soll, gilt das unter 2) Gesagte. Andernfalls genügt es, auf diese privaten Normen in den bilateralen Kontrakten hinzuweisen.

Beispiel – Wildpilze (z. B. Totentrompeten): Wenn eine private Norm angewandt werden soll, sollte gekennzeichnet werden "Totentrompeten Klasse I / Mustermann-Norm" und/oder die Webseite angegeben werden, wo die Norm zu finden ist.

Klassenangabe in den Fällen 1 bis 3 bei Lieferung aus einem anderen Mitgliedstaat

Kommt eine Partie aus einem anderen Mitgliedstaat, muss man davon ausgehen, dass die Kennzeichnung mit einer Klasse dort nicht verboten ist oder eine nationale Norm besteht. In diesen Fällen ist – aufgrund Artikel 34-36 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – die Kennzeichnung mit einer Klasse kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 des Handelsklassengesetzes, auch wenn die Quelle der Klassenangabe nicht ausdrücklich genannt ist.

Impressum

BLE, Vermarktungsnormen und Konformitätskontrollen, 53168 Bonn, Stand: 19.03.2019