Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

FAQ's

Sie haben konkrete Fragen zu unlauteren Handelspraktiken oder zur Auslegung des Gesetzes? Wir haben Antworten auf häufig gestellte Fragen sowie Hinweise zur Auslegung des Gesetzes durch die BLE für Sie bereitgestellt, die Ihnen weiterhelfen können.

1. Was sind unlautere Handelspraktiken?

Unlautere Handelspraktiken sind Vertragsklauseln und Verhaltensweisen, die in Lieferbeziehungen zwischen großen gewerblichen und behördlichen Nachfragern (Käufern) von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen und umsatzmäßig kleineren Lieferanten als unfair anzusehen und deshalb verboten sind.

2. Wer bestimmt, welche Handelspraktiken unlauter sind?

Das Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz - AgrarOLkG) regelt, welche Handelspraktiken unlauter sind.

Dabei ist nicht alles, was unfair ist oder als unfair empfunden wird, auch unlauter im Sinne des Gesetzes. Das Gesetz sieht vielmehr einen abschließenden Katalog mit verbotenen Vertragsklauseln und Verhaltensweisen vor.

Die Vertragsklauseln und Verhaltensweisen, die als unlauter im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, sind unter Punkt 21 "Welche Handelspraktiken sind verboten?" näher beschrieben.

Für die Durchsetzung des Verbots unlauterer Handelspraktiken ist in Deutschland die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zuständig.

3. Welche Rechtsgeschäfte unterfallen dem Gesetz?

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt für den "Verkauf" von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen. Verkauf im Sinne des AgrarOLkG meint dabei nicht nur Kaufgeschäfte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 433 ff. BGB), sondern alle Rechtsgeschäfte, die die Veräußerung bzw. den Erwerb von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen gegen Entgelt zum Gegenstand haben – unabhängig davon, ob dem Veräußerungs- bzw. Erwerbsvorgang ein Kaufvertrag zugrunde liegt. Erfasst ist also z.B. auch der Vertragsanbau von Agrarerzeugnissen.

4. Was sind Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse? Welche Produkte fallen unter das Gesetz?

Agrar- und Fischereierzeugnisse sind solche, die in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt sind.

  • Beispiele: Fleisch, Fische, Krebstiere und Weichtiere, Milch, Eier, Honig, Fette und Öle, Getreide, Gemüse, Früchte, aber auch lebende Tiere und Pflanzen, Waren des Blumenhandels, Tabak, Kork, Stroh und (auch zubereitetes) Futter.

Lebensmittelerzeugnisse sind Lebensmittel, die aus mindestens einem Agrar- oder Fischereierzeugnis hergestellt worden sind, einschließlich Getränken auf Wasserbasis, bei deren Herstellung mindestens ein Agrar- oder Fischereierzeugnis verwendet worden ist.

  • Beispiele: Backwaren, Brotaufstriche, Fertiggerichte, Käse- und Wurstwaren.

Anhang I des AEUV enthält eine Liste, die auf das Brüsseler Zolltarifschema Bezug nimmt. Der Anhang wurde 1959 ergänzt und ist seitdem unverändert, während sich das Zolltarifschema dynamisch weiterentwickelt hat. Das führt dazu, dass die in Anhang I des AEUV aufgeführten Zolltarifnummern teilweise nicht mit den aktuellen Ziffern der Kombinierten Nomenklatur (KN) übereinstimmen. Welche Erzeugnisse erfasst sind, ergibt sich in diesen Fällen nicht aus den KN-Codes, sondern aus den Beschreibungen der Erzeugnisse.

Anhang I des AEUV verweist zudem oft auf ganze Kapitel des Zolltarifschemas. Seit 1959 wurden die Kapitel weiter ausdifferenziert, weshalb das Zolltarifschema von 1959 keinen abschließenden Überblick über Agrar-und Fischereierzeugnisse im Sinne des AEUVs enthält.

Eine einfachere Orientierung liefern für Agrarerzeugnisse der Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, sowie für Fischereierzeugnisse der Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1379/2013 über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur.

Artikel 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 definiert Agrarerzeugnisse (in der Terminologie der Verordnung "landwirtschaftliche Erzeugnisse" als "alle Erzeugnisse, die in Anhang I der Verträge aufgeführt sind, ausgenommen Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur im Sinne der Gesetzgebungsakte der Union über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur", nach Artikel 1 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang I werden sie in verschiedene Sektoren unterteilt und einzeln aufgeführt. Dabei dient Anhang I Teil XXIV "Sonstige Erzeugnisse" ausweislich des Einleitungssatzes als Auffangvorschrift "für alle nicht in den Teilen I bis XXIII aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse". Diese Auffangklausel sorgt dafür, dass auch eventuelle Ergänzungen von KN-Codes innerhalb von durch Anhang I des AEUV erfassten Kapiteln einbezogen werden.

5. Was sind verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse?

Verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse sind solche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse, bei denen auf Grund ihrer Beschaffenheit oder auf Grund ihrer Verarbeitungsstufe davon auszugehen ist, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach der Ernte oder der Erzeugung, jeweils ohne Berücksichtigung etwaiger Schutzmaßnahmen, oder innerhalb von 30 Tagen nach der Verarbeitung nicht mehr zum Verkauf geeignet sind.

Verderbliche Erzeugnisse sind also Produkte, die in der Regel schnell verwendet oder verkauft werden (müssen). Bei der Frage, ob ein Erzeugnis verderblich im Sinne des Gesetzes ist, ist daher der Zweck der gesetzlichen Zahlungs- und Stornierungsfristen (§§ 11 und 13 AgrarOLkG) zu beachten. Diese Regelungen bezwecken, dass der Lieferant für das Erzeugnis bezahlt werden soll, wenn es aufgrund der geringen Haltbarkeit weiterverkauft worden sein muss. Der Lieferant soll vor einer Stornierung geschützt werden, die so kurzfristig erfolgt, dass er das Produkt nicht mehr weiterverkaufen kann. Hinweise auf die Verderblichkeit von Erzeugnissen können beispielsweise Verbrauchsdaten, Mindesthaltbarkeitsdaten und Restlaufzeiten bieten.

  • Beispiele: Erdbeeren, Frischfleisch und Rohmilch.

6. Sind Schutzmaßnahmen bei der Einstufung von Erzeugnissen als verderblich zu berücksichtigen?

Bei frischen Erzeugnissen im Urzustand, bei denen davon auszugehen ist, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Ernte (z.B. Äpfel) oder ihrer Erzeugung (z.B. Rohmilch) nicht mehr zum Verkauf geeignet sind, sind Schutzmaßnahmen (wie z.B. Kühlung) nicht zu berücksichtigen.

  • Beispiel: Ein Apfel ist stets ein verderbliches Erzeugnis im Sinne des Gesetzes, auch wenn er nach der Ernte zunächst in einem Kühllager mit reduziertem Sauerstoffgehalt und/ oder Lagergas eingelagert und noch Monate später verkauft werden kann.

Bei der Einordnung von frischen Erzeugnissen im Urzustand als verderblich spielt auch der Verwendungszweck des Käufers keine Rolle.

  • Beispiel: Ein Apfel ist ein verderbliches Produkt – unabhängig davon, ob der Käufer ihn als frischen Apfel weiterverkaufen oder ihn zu Apfelmus weiterverarbeiten möchte.

Bei verarbeiteten Produkten (z.B. Apfelmus, Käse oder Salami) sind Schutzmaßnahmen, die innerhalb des Verarbeitungsprozesses getroffen werden, um ein Produkt haltbar zu machen (z.B. Ultrahocherhitzen, Salzbad, Räuchern), zu berücksichtigen.

  • Beispiele: H-Milch, die nach der Produktion länger als 30 Tage haltbar ist, ist kein verderbliches Erzeugnis. Ein Käse ist nur dann verderblich, wenn er nach seiner Herstellung innerhalb von 30 Tagen nicht mehr zum Verkauf geeignet ist. Das bedeutet, dass dieselbe Käseart, je nach Reifegrad, "verderblich" im Sinne der Definition sein kann oder auch nicht.

Gleiches gilt, wenn frische Erzeugnisse im Urzustand im Rahmen des Produktionsprozesses vor dem Verkauf so in ihrer Beschaffenheit verändert werden (z.B. Tiefkühlung), dass sie anschließend in einer bestimmten Weise gehandhabt werden müssen, um verkäuflich zu sein. In diesen Fällen ist zu unterstellen und zu berücksichtigen, dass der Käufer die erforderliche Handhabung fortsetzt (z.B. Aufrechterhaltung der Tiefkühlung).

  • Beispiel: Tiefgekühlte Himbeeren sind keine verderblichen Erzeugnisse.

Schutzmaßnahmen, die im Anschluss an den Verarbeitungsprozess getroffen werden, etwa um ein fertiges Produkt vor dem Verkauf zu lagern (z.B. Verbringen in ein Kühllager) sind dagegen nicht zu berücksichtigen.

7. Wen schützt das Verbot unlauterer Handelspraktiken und wer muss es beachten?

Das Verbot unlauterer Handelspraktiken schützt nicht nur Landwirte, sondern alle Lieferanten von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, also insbesondere auch Lieferanten der lebensmittelverarbeitenden Industrie.

Dem Schutz des AgrarOLkG unterfallen allerdings nur Lieferanten, die bestimmte Jahresumsätze nicht überschreiten. Das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt zudem nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Jahresumsatz des Käufers höher ist als der Jahresumsatz des jeweiligen Lieferanten. Hierfür gilt ein Umsatzstufenmodell.

8. Was ist das Umsatzstufenmodell und wie funktioniert es?

Das Umsatzstufenmodell bestimmt den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Anhand des Umsatzstufenmodells wird also ermittelt, ob ein Käufer im Verhältnis zu einem bestimmten Lieferanten das Verbot unlauterer Handelspraktiken beachten muss. Denn dem Schutz des AgrarOLkG unterfallen nur Lieferanten, die bestimmte Jahresumsätze nicht überschreiten. Das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt zudem nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Jahresumsatz des Käufers höher ist als der Jahresumsatz des jeweiligen Lieferanten. Bei dem Umsatzvergleich zwischen Käufer und Lieferant werden jedoch nicht exakte Eurobeträge miteinander verglichen, sondern es gelten die folgenden, pauschalierten Umsatzstufen:

StufeJahresumsatz des LieferantenJahresumsatz des Käufers
1bis 2 Mio. Euroüber 2 Mio. Euro
2über 2 Mio. bis 10 Mio. Euroüber 10 Mio. Euro
3über 10 Mio. bis 50 Mio. Euroüber 50 Mio. Euro
4über 50 Mio. bis 150 Mio. Euroüber 150 Mio. Euro
5über 150 Mio. bis 350 Mio. Euroüber 350 Mio. Euro
  • Beispiel: Beträgt der Jahresumsatz eines Lieferanten 30 Mio. Euro, so müssen gegenüber diesem Lieferanten alle Käufer mit einem Jahresumsatz über 50 Mio. Euro das Verbot unlauterer Handelspraktiken beachten.

9. Mein Vertragspartner möchte, dass ich ihm die Umsätze meines Unternehmens nenne und beruft sich auf das AgrarOLkG – muss ich hierüber Auskunft erteilen?

Ja, es besteht eine gesetzliche Auskunftspflicht, denn der Vertragspartner muss wissen, ob im Verhältnis zu Ihrem Unternehmen das Verbot unlauterer Handelspraktiken überhaupt gilt, um sich ggf. daran halten zu können. Eine solche Abfrage liegt also auch im Interesse Ihres Unternehmens. In der Regel ist es jedoch nicht erforderlich, exakte Umsatzzahlen anzugeben, sondern es genügt anzugeben, in welche der fünf o.g. Umsatzstufen der Umsatz Ihres Unternehmens fällt. Bei großen Käufern mit einem Jahresumsatz von mehr als 350 Mio. Euro genügt sogar die Auskunft des Lieferanten, dass sein Jahresumsatz unter 350 Mio. Euro lag.

Bei der Angabe von Umsatzzahlen sind auch die Umsätze von Partnerunternehmen, verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen. Näheres dazu unter Punkten 11 - 15.

Wer gegen diese Auskunftspflichten vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann.

10. Welche Umsätze sind für den Umsatzvergleich maßgeblich?

Maßgeblich sind jeweils die gesamten Umsatzerlöse im letzten Rechnungsabschluss vor dem Vertragsschluss. Die Höhe des Umsatzes wird abzüglich der Mehrwertsteuer und sonstiger indirekter Steuern oder Abgaben berechnet. Bei der Bestimmung des Jahresumsatzes ist unerheblich, ob der Käufer und der Lieferant ausschließlich Umsätze mit Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen erzielen oder diese Erzeugnisse nur einen kleinen Teil Ihres jeweiligen Umsatzes ausmachen. Es zählt der Gesamtumsatz im Jahresabschluss.

11. Was gilt, wenn Käufer und/ oder Lieferant Teil einer Unternehmensgruppe sind? Sind beim Umsatzvergleich die Umsätze der Vertragsparteien oder die Umsätze ihrer jeweiligen Unternehmensgruppen maßgeblich?

Letzteres, die Umsätze von Partnerunternehmen und verbundenen Unternehmen des Käufers und des Lieferanten sind jeweils mit einzubeziehen.

Gibt es einen konsolidierten (Konzern-)Abschluss, so ist zunächst dieser maßgeblich. Sofern sie nicht ohnehin bereits im Jahresabschluss konsolidiert worden sind, sind die Umsätze von verbundenen Unternehmen vollständig und die Umsätze von Partnerunternehmen anteilig (entsprechend der Kapital- bzw. Stimmrechtsanteile, maßgeblich ist der höhere Wert) hinzuzurechnen.

12. Was sind Partnerunternehmen?

Partnerunternehmen sind Unternehmen, an denen – allein oder gemeinsam mit einem verbundenen Unternehmen – entweder Ihr Unternehmen mindestens 25% der Anteile hält (nachgeschaltete Partnerunternehmen) oder die mindestens 25% der Anteile an Ihrem Unternehmen halten (vorgeschaltete Partnerunternehmen).

Was Partnerunternehmen sind, ist auch in einem Benutzerleitfaden der Europäischen Kommission erklärt (dort Seiten 15 ff.), den Sie hier finden: Benutzerleitfaden zur Definition von KMU (PDF, 2 MB, Nicht barrierefrei)

13. Was sind verbundene Unternehmen?

Verbundene Unternehmen sind Unternehmen, an denen entweder Ihr Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit hält oder die in sonstiger Weise von Ihrem Unternehmen beherrscht werden (beherrschte Unternehmen) oder die die Stimmrechtsmehrheit an Ihrem Unternehmen halten oder in sonstiger Weise Ihr Unternehmen beherrschen (herrschende Unternehmen).

Was verbundene Unternehmen sind, ist auch in einem Benutzerleitfaden der Europäischen Kommission erklärt (dort Seiten 15 ff.), den Sie hier finden: Benutzerleitfaden zur Definition von KMU (PDF, 2 MB, Nicht barrierefrei)

14. Können auch Umsätze von Unternehmen zuzurechnen sein, wenn die Beteiligung weniger als 25% beträgt?

Ja, auch wenn die Beteiligung unter 25% liegt, können verbundene Unternehmen vorliegen, deren Umsätze zu berücksichtigen sind. Dies ist der Fall, wenn:

  • ein Unternehmen berechtigt ist, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen; oder
  • ein Unternehmen gemäß einem mit einem anderen Unternehmen abgeschlossenen Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung berechtigt ist, einen beherrschenden Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben; oder
  • ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses anderen Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von dessen Aktionären oder Gesellschaftern ausübt.

Gleiches gilt bei Unternehmensbeteiligungen von weniger als 25 %, sofern die fraglichen Unternehmen trotz ihrer formalen Eigenständigkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden.

15. Welche Umstände können für verbundene Unternehmen bei einer Beteiligung unter 25% sprechen?

Unternehmen, die zu weniger als 25% aneinander beteiligt sind, können durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen zu verbundenen Unternehmen (zu einer wirtschaftlichen Einheit) „verklammert“ werden, wenn die Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind. Die Voraussetzung des gemeinsamen Handelns natürlicher Personen ist erfüllt, wenn sich solche Personen abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen angesehen werden können.

Auf einen solchen Einfluss deuten weitreichende Einflussmöglichkeiten hin, die dazu führen, dass das Beteiligungsunternehmen geschäftliche und strategische Entscheidungen nicht oder nur noch sehr eingeschränkt selbstständig treffen kann.

Beispiele:

  • Das Beteiligungsunternehmen wickelt seinen gesamten Einkauf zentral über das beteiligte Unternehmen ab und muss ein von dem beteiligten Unternehmen vorgegebenes Pflichtsortiment (welches einen weit überwiegenden Anteil des Gesamtsortiments ausmacht) führen.
  • Für die Produkte des Pflichtsortiments gelten Preisvorgaben, von denen das Beteiligungsunternehmen nur in wenigen Ausnahmefällen abweichen kann.
  • Es gibt enge Vorgaben zur Gestaltung von Werbemitteln und Verkaufsflächen unter einem einheitlichen Markenauftritt sowie zum Zeitpunkt und zur Ausgestaltung etwaiger Rabatt- oder Sonderaktionen nach einem zentral von dem beteiligten Unternehmen erarbeiteten Vertriebskonzept.
  • Das Beteiligungsunternehmen ist eng in das von dem beteiligten Unternehmen angebotene Warenwirtschaftssystem eingebunden und wickelt seine Zahlungen über die vom beteiligten Unternehmen zur Verfügung gestellte Zentralregulierung ab.
  • Die Geschäftsräume werden in der Regel von dem beteiligten Unternehmen angemietet. Das beteiligte Unternehmen entscheidet über die Eröffnung und Schließung dieser Standorte und vermietet diese – teilweise zu vorteilhafteren Konditionen – an seine Beteiligungsunternehmen, sodass ein Austritt aus dem Unternehmensverbund in der Regel mit dem Verlust des Ladengeschäfts verbunden wäre.

16. Was sind Umsätze mit Milch- und Fleischprodukten sowie Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten (einschließlich Kartoffeln)? Was ist der erweiterte persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes und wann gilt er?

Über die oben (Punkt 8) genannten Umsatzstufen hinaus schützt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch größere Unternehmen aus den Segmenten Milch-, Fleisch-, Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukte mit einem Jahresumsatz von nicht mehr als 4 Milliarden Euro in dem jeweiligen Verkaufssegment in Deutschland. Erfasst sind Lieferanten von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten; einschließlich Kartoffeln, deren globaler Jahresumsatz höchstens 15 Milliarden Euro und nicht mehr als 20% des globalen Jahresumsatzes des Käufers beträgt.

Was unter Milch- und Fleischprodukten sowie Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Die BLE als Durchsetzungsbehörde lässt sich bei der Auslegung dieser Begriffe von folgenden Erwägungen leiten:

Unter "Milch- und Fleischprodukte sowie Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukte" dürften zunächst sämtliche Urerzeugnisse aus den genannten Segmenten fallen.

  • Beispiele: Rohmilch, lebendes Schlachtvieh, frisches Obst und Gemüse, Schnittblumen und Kartoffeln.

Daneben wollte der Gesetzgeber verarbeitete Erzeugnisse, welche aus den oben genannten Urerzeugnissen gewonnen werden, in den Anwendungsbereich des Gesetzes mit einbeziehen, da auch verarbeitende, z.B. erzeugergetragene, Unternehmen aus diesen Bereichen von der Marktmacht des Handels betroffen sein könnten. Daher dürften jedenfalls auch Erzeugnisse erfasst sein, die durch direkte Verarbeitung unmittelbar aus den jeweiligen Urerzeugnissen gewonnen werden.

  • Beispiele: Entrahmte Milch, Schweinehälften, Tomatenmark, Kartoffelstärke.

Bei höher- und hochverarbeiteten Erzeugnissen dürfte für die Einordnung als Milch-, Fleisch-, Obst-, Gemüse- oder Gartenbauprodukt entscheidend sein, ob das Urzeugnis des jeweiligen Segments und/ oder seine direkten Verarbeitungserzeugnisse eindeutig prägend für das hochverarbeitete Produkt ist oder sind. Im Sinne der praktischen Handhabbarkeit wird die BLE danach unterscheiden, ob das hochverarbeitete Produkt mehrheitlich (mind. 51%) aus dem jeweiligen Urerzeugnis und/ oder seinen direkten Verarbeitungserzeugnissen besteht oder ob es sich insoweit lediglich um eine von mehreren Zutaten handelt, die jeweils nur einen Minderheitsanteil (49% und weniger) an den Gesamtinhaltsstoffen ausmachen.

Allerdings dürften mehrere Ur- und/ oder direkte Verarbeitungserzeugnisse eines Segments (z.B. mehrere Obst- oder Gemüsearten), die zu einem Produkt verarbeitet werden, zusammen zu betrachten sein, wenn sie in ihrer Kombination prägend für das hochverarbeitete Produkt sind und in diesem (gemeinsam) mehrheitlich verwendet worden sind.

  • Beispiel: Gemüsepfanne aus sieben verschiedenen Gemüsearten, die gemeinsam 90% der Inhaltsstoffe ausmachen.

Dagegen dürften Zutaten, die zwar aus Milch-, Fleisch-, Obst-, Gemüse- oder Gartenbauprodukten gewonnen werden, aber für das Gesamtprodukt nicht (mit-)prägend sind, sondern als Hilfs- oder Zusatzstoffe lediglich dazu dienen, dem Produkt bestimmte Eigenschaften – z.B. Konsistenz, Haltbarkeit oder Farbe – zu verleihen, außer Betracht bleiben.

  • Beispiele: Milchpulver in Schokoriegeln, Gelatine in Gummibärchen, Lab in Käse, Pektin in Marmelade, Carotin in Süßwaren, Kartoffelstärke in Backwaren.

Beispiele für höher- und hochverarbeitete Erzeugnisse:

Milchprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkGKein Milchprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG
Vanille-Eis aus: Entrahmte Milch 40%, Sahne 25%, Glukose-Fruktose-Sirup, Zucker, eingedickte entrahmte Milch, Emulgator, Stabilisatoren, Karottenkonzentrat, Bourbon-Vanille-Extrakte, extrahierte gemahlene Vanilleschoten.Joghurtdressing aus: Wasser, fettarmer Joghurt 35%, Rapsöl 10%, Branntweinessig, Zucker, modifizierte Stärke, Glukose-Fruktosesirup, Salz, Eigelb, Verdickungsmittel, natürliches Aroma, Säuerungsmittel, Antioxidationsmittel.
Fleischprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkGKein Fleischprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG
Frikadellen aus: 40% Schweinefleisch und 40% Rindfleisch, Paniermehl, Zwiebeln, Hühnerei, jodiertes Speisesalz, Gewürze (mit Senfmehl), Glukosesirup, Dextrose, Würze, Hefeextrakt, Gewürzextrakt, Rapsöl.Rinderrouladen in Soße: Trinkwasser, 40 % angeschmorte Rinderrouladen (52% Rindfleisch, Zwiebeln, geräucherter Schweinebauch, Gurken, Branntweinessig, Zucker, Senf, Trinkwasser, Speisesalz, Rapsöl, Gewürze, Kräuter), Stärke, Senf, Verdickungsmittel, Würze, Tomatenmark, Karamellzuckersirup, Zwiebeln, Speisesalz, Zucker, pflanzliche Öle, Gewürzextrakte, Räucherspeckextrakt, Gewürze.
Obstprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkGKein Obstprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG
Rote Grütze aus: 51% Früchte (Sauerkirschen, Rote Johannisbeeren, Himbeeren, Schwarze Johannisbeeren), Wasser, Zucker, Johannisbrotkernmehl, Stärke, Pektin (Citrus).Erdbeerkonfitüre aus: 49% Erdbeeren, Zucker, brauner Rohrzucker, 1% Zitronensaftkonzentrat, Pektin (Citrus).
Gemüseprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkGKein Gemüseprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG
Paprikasauce ungarische Art aus: 47% Tomatenmark, 14% Paprika, Zucker, Branntweinessig, 12% Zwiebeln, Stärke, Speisesalz, Rapsöl, Aromen.Fertigbolognese aus: 40 % Tomatenmark, Trinkwasser, 20% Schweinefleisch, Zucker, Maisstärke, 4% Karotten, 3% Zwiebeln, Salz, Rapsöl, 0,5% Knoblauch, Gewürze.
Gartenbauprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkGKein Gartenbauprodukt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG
Kartoffelsuppe aus: 54% Kartoffeln, Palmöl, Speisesalz, Zucker, Stärke, Hefeextrakt, Mehl, Milchzucker, Milcheiweiß, Zwiebeln, Karotten, Gewürze, Knoblauch, Kräuter, Gemüsesaftkonzentrat, Lauch, Aroma.Kartoffel-Gemüsesuppe: 45% Kartoffeln, Wasser, 6% Gemüse (Möhren, Porree), 6 % Bockwurstscheiben, Rapsöl, Speck, modifizierte Stärke, Salz, Zucker, Hefeextrakt, Petersilie, Aroma, färbender Paprikaextrakt, Säuerungsmittel, Antioxidationsmittel, Verdickungsmittel.

17. Ich kenne die maßgeblichen Umsätze meines Vertragspartners nicht. Wie kann ich feststellen, ob für ihn das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt?

Sie können sich an Ihren Vertragspartner wenden, und ihn nach der Höhe seiner Umsätze fragen. Zur Ermittlung der Umsatzstufe des jeweiligen Geschäftspartners sind sich Lieferanten und Käufer gegenseitig zur wahrheitsgemäßen, vollständigen und rechtzeitigen Auskunft verpflichtet. Wer gegen diese Auskunftspflichten vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann. Sollten Sie Schwierigkeiten haben, die Höhe der maßgeblichen Umsätze zu bestimmen, wenden Sie sich bitte an das Team des Referats 516 – wir sind Ihnen gern behilflich.

Auch wenn Sie als Lieferant Ihren Käufer nicht danach fragen möchten oder er Ihnen keine Auskunft über die Höhe seiner Umsätze erteilt, können Sie sich an die BLE wenden. Bei Anhaltspunkten für unlautere Handelspraktiken kann die BLE Ermittlungen aufnehmen und dabei auch die Höhe der Umsatzerlöse des Käufers feststellen. Die BLE schützt dabei Ihre Identität und alle sonstigen Informationen, die Sie als vertraulich erachten.

Die Ansprechpartner bei der BLE finden Sie unter Punkt 35.

18. Gilt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch für einkaufende Behörden?

Ja, das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt auch für einkaufende Behörden.

19. Gilt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch für Verbraucher?

Nein, das Verbot unlauterer Handelspraktiken gilt nur für gewerbliche Nachfrager und Behörden.

20. Gilt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch für ausländische Vertragspartner?

Ja, das Verbot unlauterer Handelspraktiken ist schon dann anwendbar, wenn mindestens eine der Vertragsparteien seinen Sitz in Deutschland hat.
Die BLE ist als Durchsetzungsbehörde zuständig, wenn entweder der Lieferant oder der Käufer oder beide in Deutschland niedergelassen ist oder sind.

21. Welche Handelspraktiken sind verboten?

Folgende Handelspraktiken gelten im Verhältnis von großen gewerblichen und behördlichen Käufern zu umsatzmäßig kleineren Lieferanten stets als unlauter und sind verboten:

  • Zahlungsziele für verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse später als 30 Tage bzw. später als 60 Tage für andere Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse,
  • Rücksendung von nicht verkauften Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen, ohne Zahlung des Kaufpreises und der Beseitigungskosten für nicht mehr verwendbare Erzeugnisse (außer, wenn die nicht verkauften Erzeugnisse mindestens zwölf Monate weiter zum Verkauf geeignet sind),
  • Kurzfristige Stornierungen bei verderblichen Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen,
  • Beteiligung des Lieferanten an Lagerkosten des Käufers durch Zahlungen oder Preisnachlässe (außer, wenn der Käufer ein Zusammenschluss der Lieferanten ist, um Lagereinrichtungen für ihre Erzeugnisse gemeinsam zu nutzen),
  • Einseitige Änderungen von Vertragsbedingungen durch den Käufer, z.B. Liefer- und Zahlungsbedingungen, Qualitätsstandards, Preise etc.,
  • Übernahme von Kosten durch den Lieferanten, die dem Käufer durch Qualitätsminderungen nach Lieferung oder durch Bearbeitung von Kundenbeschwerden entstehen,
  • Übernahme von Kosten durch den Lieferanten, die in keinem spezifischen Zusammenhang mit dem Verkauf der Vertragsware stehen,
  • Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Erzeugnissen nach Markteinführung,
  • Androhung oder Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen (z.B. Auslistung, Verringerung der Bestellmengen oder Beendigung von vereinbarter Werbung für die Vertragsprodukte) für den Fall, dass der Lieferant seine Rechte wahrnimmt,
  • Weigerung des Käufers einen mündlich geschlossenen Vertrag in Textform zu bestätigen,
  • Forderung von Preisnachlässen im Rahmen einer vereinbarten Verkaufsaktion des Käufers, ohne dem Lieferanten rechtzeitig vorher in Textform eine Schätzung der Menge mitzuteilen, die zu dem niedrigeren Aktionspreis bestellt werden soll,
  • Weigerung des Käufers dem Lieferanten eine Schätzung der Zahlungen oder Preisnachlässe, die – z.B. für die Listung bei Markteinführung, für die Vermarktung oder das Einrichten von Verkaufsräumlichkeiten – vereinbart worden sind, bzw. eine Kostenschätzung in Textform zur Verfügung zu stellen,
  • Unbefugte oder treuwidrige Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse des Lieferanten.

Folgende Zahlungen oder Preisnachlässe des Lieferanten sind im Verhältnis von großen gewerblichen und behördlichen Käufern zu umsatzmäßig kleineren Lieferanten nur dann zulässig, wenn sie zuvor "klar und eindeutig" zwischen den Parteien vereinbart worden sind:

  • Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen bei deren Markteinführung,
  • Zahlungen oder Preisnachlässe für die Vermarktung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt,
  • Zahlungen oder Preisnachlässe für das Einrichten von Verkaufsräumlichkeiten.

"Klar und eindeutig" sind Vertragskonditionen, wenn sie verständlich sind und keinen relevanten Auslegungsspielraum enthalten. Solche Konditionen können auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein.

Zwar können die genannten Kostenregelungen grundsätzlich vereinbart werden. Das gilt aber nicht, wenn es an einem spezifischen Zusammenhang zu dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten fehlt. So können zwar Werbekostenzuschüsse für die Erzeugnisse des Lieferanten grundsätzlich vereinbart werden. Unwirksam wäre jedoch z.B. eine Vereinbarung, dass ein Werbekostenzuschuss auch dann zu zahlen ist, wenn die Erzeugnisse des Lieferanten in dem Werbemittel gar nicht beworben werden.

Eine Vereinbarung zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen ist zudem nur wirksam, wenn sich der Käufer auch verpflichtet, dem Lieferanten rechtzeitig vor Beginn der Verkaufsaktion in Textform den Aktionszeitraum und eine Schätzung der Menge der Erzeugnisse mitzuteilen, die zu dem niedrigeren Preis bestellt werden soll. Erfüllt der Käufer seine vertragliche Pflicht zur Unterrichtung des Lieferanten nicht, kann er den vereinbarten Preisnachlass nicht verlangen.

22. Was sind markteingeführte Erzeugnisse? In welchen Fällen sind Listungsgebühren zulässig?

Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen sind im Anwendungsbereich des AgrarOLkG grundsätzlich verboten (§§ 17 Satz 1 und 23 Nr. 1 g), Nr. 5 AgrarOLkG). Eine Ausnahme gilt jedoch für Listungsgebühren bei der Markteinführung (§§ 17 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 1 AgrarOLkG). Was unter "Markteinführung" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht geregelt.

Die BLE als Durchsetzungsbehörde lässt sich bei der Auslegung dieses Begriffs von folgenden Erwägungen leiten: Mit der ausnahmsweisen Möglichkeit, Gebühren für die Listung von noch nicht markteingeführten Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen zu verlangen, soll nach dem Verständnis der BLE der "Pioniergeist" und das unternehmerische Risiko derjenigen Käufer belohnt werden, die "neue" Produkte einlisten, deren Markterfolg ungewiss ist. Sie erhöhen so die Vielfalt des Angebots und damit die Auswahlmöglichkeiten für die Verbraucher.

Vor diesem Hintergrund ist ein Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnis nach dem Verständnis der BLE nicht bereits dann "markteingeführt", wenn es in (irgend-)einer Verkaufsstätte zum Verkauf angeboten wird. Umgekehrt sind Listungsgebühren nicht allein deshalb zulässig, weil der Käufer, der Listungsgebühren verlangt, das Produkt (noch) nicht gelistet hat. Ob ein Käufer von seinen Lieferanten Gebühren für die Listung eines Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisses verlangen darf, hängt vielmehr davon ab, ob das fragliche Produkt auf dem geografischen Markt, auf dem der Käufer als Weiterverkäufer mit seinen Wettbewerbern um Kunden konkurriert, bereits etabliert ist. Für die Listung bereits etablierter Produkte dürfen keine Zahlungen oder Preisnachlässe verlangt werden.

Etabliert ist ein Produkt, wenn es auf dem relevanten geografischen Markt bereits einen konkreten Bedarf beziehungsweise eine konstante Nachfrage nach dem fraglichen Produkt gibt. Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall vor allem anhand des Zeitpunkts und des Umfangs zu bestimmen, seit beziehungsweise in dem das fragliche Produkt auf diesem Markt bereits zum Verkauf angeboten wird.

Einen Anhaltspunkt hierfür können z.B. die Größenordnung der historischen, aggregierten Gesamtabsatz- oder Umsatzzahlen des Lieferanten mit dem fraglichen Produkt in dem betreffenden Gebiet oder öffentlich beziehungsweise von Marktforschungsunternehmen verfügbare Marktdaten bieten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich häufig erst nach einer gewissen Einführungsphase – deren Dauer von den jeweiligen Besonderheiten des fraglichen Produkts abhängt – herausstellt, ob ein neues Produkt von den Verbrauchern angenommen wird. Umsatzerlöse, die ein Lieferant mit einem neuen Produkt in einer solchen Einführungsphase erzielt hat (z.B. im Rahmen der Erstausstattung von Verkaufsstätten), lassen daher noch nicht sicher auf eine konstante Nachfrage schließen.

Listungsgebühren im Sinne von § 17 AgrarOLkG sind abzugrenzen von Zahlungen oder Preisnachlässen für die Vermarktung – insbesondere für Verkaufsangebote (das "Ausstellen" in der Verkaufsstätte) oder für die Bereitstellung auf dem Markt – im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 2 AgrarOLkG. Bei Letzteren muss der Käufer als Gegenleistung verkaufsfördernde Vermarktungsleistungen mit Blick auf die Produkte des Lieferanten erbringen, die über die bloße Aufnahme in sein Sortiment hinausgehen.

So können etwa Zahlungen oder Preisnachlässe für eine Zweitplatzierung oder eine besondere Form der Produktpräsentation unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 16 AgrarOLkG als verkaufsfördernde Maßnahmen zulässig sein. Dagegen werden Zahlungen oder Preisnachlässe nicht allein dadurch zulässig, dass ein Käufer mehrere oder eine bestimmte Anzahl bereits markteingeführter Produkte eines Lieferanten in sein Sortiment aufnimmt.

23. Sind Vertragsklauseln und Verhaltensweisen, die hier nicht genannt sind, immer erlaubt?

Nein. Das AgrarOLkG verbietet zunächst nur die ausdrücklich und abschließend genannten Vertragsklauseln und Verhaltensweisen. D.h. dort nicht aufgeführte Vertragsklauseln und Verhaltensweisen – z.B. die Forderung von Käufern, zu Preisen zu liefern, die unter den Produktionskosten des Lieferanten liegen oder der Verkauf unter Einstandspreis – unterfallen grundsätzlich nicht dem Verbot unlauterer Handelspraktiken. Eine Ausnahme gilt jedoch für Vertragsbedingungen eines Käufers, die eine Umgehung der ausdrücklich genannten verbotenen Vertragsklauseln bewirken (außer Vertragsbedingungen, die eine Pflicht zur Kostenübernahme durch den Lieferanten vorsehen, die nach § 16 AgrarOLkG nicht wirksam vereinbart werden kann).

Auch wenn Vertragsklauseln und Verhaltensweisen nicht unter den Verbotskatalog oder das Umgehungsverbot des AgrarOLkG fallen, bedeutet dies nicht, dass sie stets erlaubt sind. Vielmehr können solche Vertragsklauseln und Verhaltensweisen unter bestimmten Voraussetzungen nach anderen Gesetzen verboten sein, z.B. den kartellrechtlichen Missbrauchsverboten, die für marktbeherrschende oder marktmächtige Unternehmen gelten (§§ 19 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) oder den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.

Für die Durchsetzung dieser Verbote sind andere Behörden – z.B. das Bundeskartellamt für die kartellrechtlichen Missbrauchsverbote – zuständig.

24. Was gilt, wenn mein Vertrag unlautere Handelspraktiken enthält?

Unlautere Handelspraktiken sind gesetzlich verboten.

Verträge, in denen verbotene unlautere Handelspraktiken enthalten sind, können teilweise unwirksam sein. Große gewerbliche und behördliche Käufer von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen können sich dann gegenüber ihren umsatzmäßig kleineren Lieferanten auf entsprechende Vertragsklauseln nicht berufen. Über die Wirksamkeit von Verträgen entscheiden die Zivilgerichte.

Die BLE kann Verstöße auf Beschwerden von Marktteilnehmern, von Amts wegen oder aufgrund von Amtshilfeersuchen von Durchführungsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten aufgreifen und kann die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung des Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendig sind. Darüber hinaus kann die BLE Verstöße mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 750.000 Euro ahnden. Die BLE kann auch anordnen, dass der Käufer die Vorteile, die er aus dem rechtswidrigen Verhalten erwirtschaftet hat, an die betroffenen Lieferanten zurückerstatten muss.

25. Mein Vertrag scheint in Ordnung zu sein, aber mein Käufer hält sich nicht daran. Gilt das Verbot unlauterer Handelspraktiken auch dann, wenn der Vertrag keine verbotenen Klauseln enthält?

Ja, entscheidend ist nicht der Wortlaut des Vertrages, sondern das tatsächliche Verhalten des Käufers. Verpflichtete Käufer handeln auch bei einwandfreiem Vertragsinhalt unlauter, wenn sie z.B.

  • geschuldete Zahlungen (Kaufpreise oder Beseitigungskosten) nicht oder nicht rechtzeitig leisten (sofern sie kein Leistungsverweigerungsrecht haben),
  • Leistungen (Lagerkosten, Zahlungen oder Preisnachlässe) fordern, auf die sie mangels wirksamer Vereinbarung keinen Anspruch haben,
  • sich weigern, mündlich abgeschlossene Liefervereinbarungen schriftlich zu bestätigen,
  • Geschäftsgeheimnisse ohne Einverständnis des Lieferanten erlangen, nutzen oder offenlegen oder
  • Lieferanten, die von ihren vertraglichen/ gesetzlichen Rechten Gebrauch machen, Vergeltungsmaßnahmen androhen.

26. Ich habe keinen schriftlichen Vertrag mit meinem Käufer. Was kann ich tun?

Sie können von ihrem Käufer verlangen, dass er Ihnen den Inhalt eines mündlich geschlossenen Liefervertrages oder einer mündlich geschlossenen Rahmenvereinbarung in Textform bestätigt. Weigert er sich, mündlich abgeschlossene Liefervereinbarungen in Textform zu bestätigen, ist auch dies ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken.

27. Wie kann ich mich beschweren, wenn ich als Lieferant von unlauteren Handelspraktiken betroffen bin?

Sie können sich mit einer Beschwerde per Post, Fax, E-Mail oder Telefon an die BLE wenden. Die Kontaktdaten finden Sie unter Punkt 35. Sie können auch unser Online-Beschwerdeformular nutzen.

Das gleiche Beschwerderecht haben auf Ihren Antrag auch Zusammenschlüsse, deren Mitglied Sie sind, sowie auf Ihr Ersuchen Organisationen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, Sie zu vertreten. Solche Organisationen sind beispielsweise rechtsfähige Kreisbauernverbände und andere rechtsfähige Erzeugerverbände auf Landes- oder Bundesebene.

28. Was muss ich in einer Beschwerde bei der BLE angeben?

Damit wir Ihrer Beschwerde nachgehen können, sollten Sie in Ihrer Beschwerde folgende Angaben machen:

a) den betroffenen Lieferanten,
b) den Käufer, der gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken verstoßen haben soll, und
c) das Verhalten, durch das der Käufer gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken verstoßen haben soll.

Hilfreich ist es zudem, wenn Sie uns Ihre Kontaktdaten mitteilen, damit wir etwaige Rückfragen an Sie richten und Sie über den Stand Ihrer Beschwerde informiert halten können.

Falls Sie nicht sämtliche für eine Beschwerde notwendige Angaben machen, z.B. die Identität des betroffenen Lieferanten nicht offenlegen können oder wollen, wird die BLE Ihre Angaben als Hinweis behandeln und prüfen, ob sie von Amts wegen tätig wird.

29. Kann die BLE meine Identität und meine vertraulichen Angaben vor einer Offenlegung gegenüber meinen Käufern schützen?

Ja. Wir wissen, dass Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, meist Käufern gegenüberstehen, von denen sie wirtschaftlich abhängig sind.

Die BLE schützt daher die Identität und alle sonstigen Informationen, deren Offenlegung nach Ihrer Ansicht Ihren Interessen schaden würde. Das AgrarOLkG gibt uns hierfür in § 26 eine rechtliche Grundlage. Erforderlich ist lediglich, dass Sie uns mitteilen, welche Informationen aus der Beschwerde vertraulich zu behandeln sind.

Kommen wir im Einzelfall zu der Überzeugung, dass wir die Untersuchung der Beschwerde nicht abschließen könnten, ohne Ihre vertraulichen Informationen offenzulegen, so teilen wir Ihnen dies mit. Sie können dann über die Offenlegung Ihrer vertraulichen Informationen und das weitere Vorgehen entscheiden: Stimmen Sie der Offenlegung der Informationen zu, kann das Verfahren fortgeführt werden; stimmen Sie nicht zu, so wird es eingestellt.

30. Kostet mich eine Beschwerde bei der BLE etwas?

Nein, die Erhebung und Bearbeitung einer Beschwerde bei der BLE ist kostenlos.

31. Muss ich einen Rechtsanwalt beauftragen, um eine Beschwerde bei der BLE zu erheben?

Nein, Sie müssen keinen Rechtsanwalt beauftragen. Bei sehr komplexen Sachverhalten kann es sich allerdings empfehlen, einen Rechtsanwalt um Rat zu fragen.

32. Was macht die BLE mit meiner Beschwerde?

Die BLE prüft, ob ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken vorliegt und ob sie hierzu ein Verfahren einleitet. Die BLE hält Sie über den Stand sowie den Fort- und Ausgang Ihrer Beschwerde informiert.

33. Kann ich mich auch anonym an die BLE wenden, wenn ich als Lieferant von unlauteren Handelspraktiken betroffen bin oder sonst davon weiß?

Ja, wenn Sie von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, oder davon wissen, können Sie sich über unser anonymes Online-Hinweisgebersystem vollständig anonym an die BLE wenden. Neben dem anonymen Online-Hinweisgebersystem stehen Ihnen weitere Wege offen:

  • Sie können uns einen anonymen Brief schreiben.
  • Sie können uns mit unterdrückter Rufnummer und ohne Nennung Ihres Namens anrufen.
  • Sie können Ihr Anliegen über Ihren Verband an die BLE richten.

34. Was kann die BLE gegen unlautere Handelspraktiken unternehmen?

Leitet die BLE ein Verfahren ein, kann sie weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts anstellen.

Kommt sie zu der Überzeugung, dass ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken vorliegt, trifft sie geeignete Anordnungen, um den Verstoß abzustellen und künftige Verstöße zu verhindern. Die BLE kann auch anordnen, dass der Käufer die Vorteile, die er aus dem rechtswidrigen Verhalten erwirtschaftet hat, an die betroffenen Lieferanten zurückerstatten muss.

Darüber hinaus veröffentlicht die BLE festgestellte Verstöße unter Nennung des Namens des Käufers bis zu drei Monate lang auf ihrer Internetseite, soweit es sich nicht um einen geringfügigen Verstoß handelt.

Schließlich kann sie auch Bußgelder von bis zu 750.000 Euro gegen Käufer verhängen, die gegen das Verbot unlauterer Handelspraktiken verstoßen haben.

35. An wen kann ich mich wenden, wenn ich Fragen zu unlauteren Handelspraktiken habe oder mich beschweren möchte?

Mit Fragen oder Beschwerden zu unlauteren Handelspraktiken wenden Sie sich bitte an das Team des Referats 516:

Telefon: 0228-6845

  • -3606 (Dr. David Jüntgen, Referatsleiter)
  • -3311 (Barbara Jeannot, stellv. Referatsleiterin)
  • -3639 (Lucas Schöneck, Referent)

Fax: 030-1810 6845-330

E-Mail: 516@ble.de

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Referat 516 -
Deichmanns Aue 29
53179 Bonn

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