Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Kühe im Stall Ein Jahr DigiTier – Impressionen, Erkenntnisse und Visionen DigiTier-Filmteam zu Gast beim Projektteam von DigiStable Quelle: EurA AG

Ein Jahr DigiTier – Impressionen, Erkenntnisse und Visionen

Die Vernetzungs- und Transfermaßnahme DigiTier begleitet 13 anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte, um die digitale Transformation in der Nutztierhaltung voranzutreiben. Die Projekte werden über die Bekanntmachung zur "Förderung von Innovationen zur Digitalisierung in der Nutztierhaltung" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.

In den 13 Projekten werden innovative Ansätze verfolgt, die zukünftig nicht nur das Tierwohl objektiv erfassen und somit zur Tiergesundheit beitragen, sondern auch die Arbeitsbelastung von Landwirten und Landwirtinnen verringern und die Rückverfolgbarkeit entlang der tierischen Wertschöpfungskette optimieren sollen. Die Durchführung der Maßnahme wird von der EurA AG wahrgenommen, die im Februar 2021 vom BMEL, vertreten durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), beauftragt worden ist.

Seit der Auftaktveranstaltung im September 2021 in Berlin, bei der die Zuwendungsempfänger und viele wichtige Akteure aus Industrie, Politik und Wissenschaft zum Kick-off zusammenkamen, hat sich einiges getan.

Workshops zeigen Herausforderungen und Handlungsbedarfe auf

Im Rahmen erster Workshops haben sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen über ethische Kriterien im Umgang mit Tieren sowie über die Einstellung der Gesellschaft zur Digitalisierung in der Nutztierhaltung ausgetauscht. Dabei wurde intensiv über aktuelle praktische, politische und wirtschaftliche Herausforderungen der digitalen Transformation in der Landwirtschaft diskutiert.

In Kleingruppendiskussionen beim 1. und 2. Clusterworkshop in Oldenburg zeigte sich die Notwendigkeit von sektorübergreifenden Vernetzungsmaßnahmen, um den unterschiedlichen Sichtweisen der Praktiker und Praktikerinnen sowie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Rechnung zu tragen.

Während der Workshops kristallisierten sich außerdem erste Handlungsbedarfe für die Wirtschaft, den öffentlichen Sektor und die Politik als auch Forschungsbedarfe bezüglich der Digitalisierung in der Nutztierhaltung heraus:

  • Speziell bei der Entwicklung von Modellen zur Künstlichen Intelligenz (KI) bedarf es eines anonymisierten Datenaustausches zwischen Einrichtungen, wobei Datentransfer, ‑speicherung, und ‑hosting weitere Herausforderungen darstellen.
  • Ein Austausch zwischen Entwicklern, Forschenden und Endanwendern ist unverzichtbar, um die täglichen betrieblichen Routinen im Prozess der Innovationsentwicklung zu berücksichtigen.
  • Eine Ungleichverteilung der Digitalisierung auf landwirtschaftlichen Betrieben (Familien- vs. Großbetriebe) / Sektoren (Ackerbau vs. Veredlung) / Ausrichtungen (ökologisch vs. konventionell) ist unbedingt zu vermeiden. Die Sicherstellung des Zugangs zu neuen Technologien durch überbetriebliche Gemeinschaften könnte einen möglichen Lösungsansatz darstellen.

Ergänzend zu den Workshops haben erste Betriebsbesichtigungen einen praktischen Erfahrungsaustausch im Rahmen von DigiTier geboten. So konnten die Projektpartner den Mastschweinestall der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Bad-Zwischenahn-Wehnen besichtigen, der außerdem Versuchsstandort des Digitalen Experimentierfelds "DigiSchwein" ist. Als Koordinator von "DigiSchwein" erklärte Herr Dr. Lieboldt den Gästen die in den einzelnen Abteilen angebrachte Sensor- und Kameratechnik zur Datenerfassung und zum Tierwohlmonitoring (Abb. 1).

Während des 2. Themenworkshops "Digitalisierung in der Milchviehhaltung" in Kooperation mit dem digitalen Experimentierfeld "DigiMilch" am Milchgewinnungszentrum der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf am 30. Mai 2022 hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit, unterschiedliche Sensoren zur Tierwohlüberwachung in der Praxis zu begutachten und sich über Vor- und Nachteile der verwendeten Technik zu informieren. In Gruppendiskussionen wurde über die Bedienungsfreundlichkeit und Akzeptanz von digitalen Assistenzsystemen in der Praxis diskutiert. Für viele Landwirt*innen sei immer noch die Mund-zu-Mund-Propaganda das ausschlagende Argument, welches sie schlussendlich zur Auswahl und zum Kauf eines bestimmten Systems bewege. Im Zuge der Digitalisierung in der Landwirtschaft berichteten Vertreterinnen des digitalen Experimentierfelds "CattleHub", dass oft auch erst ein gewisses Interesse für die Möglichkeiten, die die Technik schon heute erlaubt, geweckt werden müsse. Hier seien Schulungen und Beratungen ein wichtiger Baustein.

Erste Meilensteine erreicht – digitale Innovationen für mehr Tierwohl

Trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie (z.B. Chip-Krise, Lieferengpässe, verlangsamte Genehmigungsverfahren) und damit verbundenen Verzögerungen im Projektablauf konnten erste Meilensteine erreicht werden. So stellte das Team von "MonitorShrimp" seine erste Demoversion zum automatischen Auszählen von Garnelen in Aquakultursystemen fertig. Ab sofort können Aquakulturinteressierte (Handy-)Bilder aus eigenen Zuchtanlagen in der Demonstrationssoftware hochladen und die Anzahl der Tiere pro Becken digital bestimmen lassen (Abb. 2). Im Projekt "TreFKla" konnten Drucksensoren erfolgreich in Gummimatten integriert werden, sodass ein erster Prototyp der Sensorikmatte zur automatischen Lahmheitsdetektion bei Milchkühen für Praxistests im Kuhstall zur Verfügung steht.

Das "REPR0I1"-Projektteam installierte ein Kamerasystem im Stall, um einen digitalen Phänotyp für Milchkühe zu schaffen. Die Forschenden des "IQExpert"-Projekts haben Konzepte und Entscheidungsbäume für das Expertensystem entwickelt und einen praktikablen Ansatz zum genotypischen Screening von Krankheitserregern in Sammelmilchproben identifiziert. Im Schafprojekt "SmartSheepNet" wurde ein automatisches Weide-Wiegesystem (Abb. 3) unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Hartung, Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, konzipiert und im Rahmen von Praxistests evaluiert.

Obwohl es sich bei den meisten Innovationen um Prototypen und meist unvernetzte Einzellösungen handelt, streben die Projektteams übergreifende Gesamtlösungen von Precision Livestock Managementsystemen an, sodass der Arbeitszeitaufwand für die Dateneingabe, -pflege und Kontrolle zukünftig reduziert werden kann.

Um die Ergebnisse und Inhalte der einzelnen Projekte anschaulich darzustellen, interviewt DigiTier ab Sommer 2022 im Rahmen von Podcasts die Projektteams zu Themen des Gesundheits- und Tierwohlmonitorings und erörtert Probleme der digitalen Vernetzung in der Landwirtschaft.